Im Blickpunkt
DIE GESCHICHTE VON EINER BÖSEN RATTE
Bryan Talbot
comicplus+ contura

Die sechzehnjährige Helen Potter ist von zu Hause weggelaufen, weil sie die sexuellen Übergriffe ihres Vaters nicht mehr ertragen konnte. Auf ihrer Odysee durch halb England trifft das Mädchen schließlich auf Menschen, denen sie vertraut. Helen beschließt. ihren Peiniger zur Rede zu stellen.

Auf äußerst sensible Art und Weise verknüpft der englische Autor und Zeichner Bryan Talbot das Thema Kindesmißbrauch mit einer Huldigung an den nordenglischen Lake District und die Kinderbuchautorin Beatrix Potter.

Originaltitel und Verlag: "The Tale of One Bad Rat", Dark Horse

 

Bryan Talbot

Bryan Talbot wurde am 24. Februar 1952 in Wigan/Lancashire in England geboren. Er studierte Grafikdesign an der Preston Polytechnic und begann seine Laufbahn als Comiczeichner mit Arbeiten für diverse Underground-Magazine. In "Near Myths" und später in "Pssst!" erschien ab 1978 seine mit vier Eagle Awards und einem Mekon Award ausgezeichnete Serie "The Adventures of Luther Arkwright".

Seit Ende der 80er Jahre arbeitete der Engländer überwiegend für amerikanische Verlage. "The Tale of One Bad Rat" entstand 1994/95 bei Dark Horse. Auch dieses Werk, das in englischen und amerikanischen Kinderschutz-Zentren eingesetzt wird, wurde international mit mehreren Preisen ausgezeichnet.

Unter den neueren Arbeiten, für die Talbot als Autor und Zeichner steht, ist insbesondere "Heart of Empire" hervorzuheben (1999, Dark Horse), eine aufwendig inszenierte Fortsetzung der komplexen "Luther Arkwright"-Saga.

Die Geschichte von einer bösen Ratte
ISBN 3-89474-091-4

Kurzinterview
Dem Verbrechen ein Ende setzen

Ich las ein Dutzend Bücher über Kindesmißbrauch und seine Folgen für die Entwicklung des Kindes. Ein Buch hätte es auch getan. Immer findet eine emotionale Erpressung statt, immer mit denselben Ergebnissen und Verhaltensmustern. Ganz gleich, aus welchen Ländern die Opfer stammen, ihre Aussagen über Tatumstände und Gefühle ähneln sich fatal. Der gemeinsame Nenner ist der Egoismus des Täters, und zwar unabhängig von sozialer Schicht, Herkunft oder Glaube. Die Folgen für das Opfer - Verzweiflung und Abkapselung, ein geringes Selbstwertempfinden, das Gefühl, nutzlos, schmutzig und schlecht zu sein - können ein Leben lang anhalten. Das Kind überträgt die Schlechtigkeit des Täters auf sich selbst.

Erst seit kurzem wird Kindesmißbrauch in den Medien diskutiert, sehr zögerlich und mit wenig Akzeptanz. Die Menschen wollen nichts darüber hören, sie wollen nicht einmal daran denken. In der Comic-Literatur kenne ich nur drei, vier Beispiele, in denen das Thema berührt wurde, und sei es auch nur beiläufig.

Kindesmißbrauch findet weiter statt, gerade weil die Medien dieses Thema ignorieren. Er findet im Verschwiegenen statt. Viele Opfer, besonders die jüngeren, glauben, diese Sache passiere allein ihnen. Sie haben Angst, darüber zu sprechen und werden zu Einzelgängern. Helens Gedanken und Gefühle habe ich streckenweise wörtlich aus den Schilderungen der Opfer übernommen. Ich wollte den Opfern eine Möglichkeit zu sprechen geben.

Je mehr Kindesmißbrauch in der Gesellschaft, in der Literatur oder anderen Medien diskutiert wird, desto eher wird den Opfern klar, daß diese Sache überall passiert, daß sie darüber reden können, daß man ihnen glauben wird, daß dem Verbrechen ein Ende gesetzt werden kann.


"Der erste Schritt zur Vorbeugung und dem Bereitstellen von Hilfe für mißbrauchte Mädchen ist es, die Tat offenzulegen. Inzest ist kein Tabu. Es scheint, das Tabu liegt darin, über Inzest zu sprechen." (Miriam Saphira: "The Sexual Abuse of Children")

 

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